Die Auto-Vision

Fragt man Walter Treser, welches Auto das wichtigste in seinem Leben ist, fällt ihm die Antwort nicht leicht. Der Audi quattro, dessen Macher und Namensgeber er war und der mit seinem Vierradantrieb nicht nur Motorsport-Geschichte schrieb. Oder mehr noch der TreserAudi quattro roadster. Er vereint die quattro-Geschichte mit der Idee des einfach zu bedienenden Hardtop – Klappdaches. Auch hier hat Walter Treser Pionierarbeit geleistet. Die Idee eines wegklappbaren Hardtopdaches war nicht grundsätzlich neu. Aber so, wie es Autobauer Treser im quattro roadster 1983 auf der IAA in Frankfurt präsentierte, war es vorher noch nie realisiert. So einfach hatte noch niemand die Vorzüge eines geschlossenen Coupés mit dem Vergnügen eines offenen Cabriolets verbunden.
Bei geschlossenem Dach sieht man dem Auto an, dass seine Designer es nicht von Anfang an für den Umbau zum Cabriolet entwarfen. Der Hecküberhang des Urquattro, der als Basis des roadster dient, ist zu groß. Walter Treser hat deshalb bereits ein eigenes Auto im Kopf, bei dem die Idee des wegklappbaren Hardtop-Daches von Anfang an berücksichtigt und ideal gelöst ist. Schon 1982 beginnen die Vorarbeiten an Design und Lastenheft für das Auto, das später Treser T1 heißen wird.

Projekt „Jugendauto“

Der Treser Sportwagen sollte kompakt sein, ohne klein zu wirken. Er musste leicht und aerodynamisch werden und die Idee des voll versenkbaren Hardtop-Klappdaches ideal verwirklichen. Der erste Arbeitstitel des T1 im Lastenheft heißt „Jugendauto“. Er soll eine Art Ferrari für junge Leute werden: freches Design, interessante, aber nicht zu teure Technik und bezahlbare Werkstattkosten. „Ich wollte aber keinen zweiten Karmann Ghia“, sagt Walter Treser. „Der ist ein hübsches und erfolgreiches Auto, aber er blieb doch ein VW mit schöner Sonderkarosserie“. Treser verwendet auch VW- und Audi- Technik, verpackt sie aber so raffiniert, dass ein eigenständiges Treser Auto entsteht.
Der 1,8 Liter 16-Ventiler-Motor vom Golf GTI, quer eingebaut. Jedoch nicht vorne, sondern vor der Hinterachse als Mittelmotor – wie bei echten Sportwagen. Selbstverständlich mit Heckantrieb. Den Gedanken an einen Allrad-Antrieb verwirft Treser: „Als Jugendauto für junge und jung gebliebene Leute, mit Fahrleistungen eines guten GTI, bietet sich die Mittelmotor Lösung mehr an, als ein schwerer und komplizierter Allradantrieb“. Vorderachse, Lenkung, Heizung und Getriebe stammen vom Golf GTI. Um die Eigenständigkeit des Autos (und die Kreativität seines Erbauers) zu betonen, bekommt das Auto eine komplett eigenständige Bodengruppe aus Kunststoff und Aluminium. Das ist damals allenfalls im Flugzeugbau bekannt.
Er tauft die Idee „AVUS“ (Aluminium Verbund Struktur) und meldet sie zum Patent an. Treser nimmt Kontakt zur Firma Hydro Aluminium auf, einem führenden Hersteller von Aluminium Strangpressprofilen. Die werden hergestellt wie Spritzgebäck an Weihnachten: Unter hohem Druck wird erhitztes und dadurch weiches Aluminium durch ein Mundstück gepresst. Es entstehen lange, bei Bedarf sehr dünnwandige, leichte und steife Rohre, die je nach Gestalt des Mundstücks äußerst raffinierte Querschnitte annehmen. Die Schwierigkeit besteht darin, die geraden Profile so zu biegen, dass sie sich den geschwungenen Formen eines Autos anpassen. Dazu muss man sie von innen stabilisieren, damit die Wände beim Biegevorgang nicht knicken oder einbeulen.

Experimente in Eis

Nur, wie? Treser und Hydro Aluminium leisten erneut Pionierarbeit. Sie experimentieren mit Sand und Wolfram, einem teuren und toxischen Metall mit sehr niedrigem Schmelzpunkt. So lässt sich das Material nach dem Biegevorgang leicht aus dem Strangpressprofil ausschmelzen. Doch dann kam die Idee mit Wasser: Man füllte das Rohr mit Wasser, legte es in einen Gefrierschrank, bis das Wasser gefroren ist. Dann wird das Rohr gebogen und nach dem Auftauen fließt das Wasser wieder aus. Aus all diesen Experimenten entwickelt sich schließlich das heute gebräuchliche „Hydro Forming“, und Firma Hydro Aluminium benutzt fortan den Treser TR1 für Werbeauftritte: „So fing alles an“.
Bald stellt sich heraus, dass die Idee des Jugendautos zwar gut ist, der Begriff aus Marketingsicht aber zu kurz greift. Der T1 muss auch Frauen und Männer gehobeneren Alters (und Einkommens) ansprechen. Walter Treser führt den Slogan „Das Autovergnügen“ ein: „Fuß vom Gas, Dach auf, Musik – und das Autovergnügen beginnt“. „Dieser Slogan Autovergnügen drückt aus, was mich ein Leben lang bewegt“, sagt Treser. „Man braucht keine 1001 PS zum Glück. Aber man muss in seinem Auto die Illusion und das Potenzial sehen, um seine eigenen Vorstellungen zu befriedigen.“

Abenteuer Autofabrik

Schon 1982, kurz nachdem Firma Treser von Hofstetten nach Ingolstadt zog, beginnen die Treser Designer Gert Schollmann und Hans-Joachim Walitschek mit Designentwürfen für den T1. Thomas Eisner kümmert sich um die grafischen Belange. „Scholli“, wie alle Gert Schollmann nennen, gestaltet das erste 1:4 Anschauungsmodell. Sobald 1985 das Fabrikgelände in Berlin bezogen ist, beginnt „Scholli“ dort das 1:1 Modell. Vor einem riesigen Spiegel entsteht zunächst ein halbes Modell, das im Spiegel die Illusion und den optischen Eindruck eines ganzen Autos vermittelt. Eine Methode, die die Autoindustrie gelegentlich anwendet, um Kosten zu sparen. Mehrere Konstrukteure tüfteln am ‚Packageplan‘. Das ist die wichtigste Zeichnung des Autos. In ihm sind alle Hauptabmessungen, Aggregate, Leitungen und Teile dargestellt, wie sie später in Detailzeichnungen und in der Praxis realisiert werden. Er muss sämtliche gesetzlichen Vorschriften berücksichtigen und enthält Angaben zur Sitzposition, den Sichtwinkeln für die Passagiere und die griffgerechte Anordnung aller Schalter und Pedale. Das verlangt große Expertise. Die Erfahrung, die Walter Treser bei Audi erworben hat, zahlt sich aus. Treser rekrutiert eine Reihe von Fachleuten, die mit großem Engagement das Abenteuer einer neuen Autofabrik erleben. Das war nicht immer leicht, aber der Erfolg gibt den Kämpfern Recht.
Kreativität und Fleiß sind auch bei der Gestaltung des Innenraums nötig: Ablagen in den Türen, eine sportlich ansprechende Schalttafel, eine hohe Mittelkonsole mit griffgerechter Anordnung des Schalthebels. Eine im internen Jargon ‚Ofenbank‘ genannte Sitzschale für kleines Gepäck hinter den beiden optimalen Schalensitzen ist so angeordnet, dass das Dach beim Aufklappen schlangenartig dahinter verschwindet. Der dafür erforderliche Aufwand wird patentiert und in einem Testbock erprobt. Eine zukunftsweisende Radio-Soundanlage mit sechs Lautsprechern, zwei separaten Hochtönern und zwei Subwoofern im Mitteltunnel sorgt für vibrierendes Bassfeeling.

Der erste Prototyp

Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt begeistern 1987 die beiden ersten Musterfahrzeuge Publikum und Presse: Ein T1 Cabrio, rot, mit beiger Lederausstattung und automatisch voll versenkbarem Hardtop sowie ein schwarzes Coupé. Selbst die Wettbewerber von BMW bis Mercedes bestaunen die Revolution aus Berlin. Im April und Mai 1988 baut die Fahrzeugfabrik die ersten 20 Exemplare für den ‚Hydro Aluminium Cup‘ und liefert sie an Sportfahrer aus. Am 29. Mai 1988 startet das Auftaktrennen mit diesen völlig neuen Autos im Rahmen der DTM auf der Berliner Avus. An den Start geht auch der Däne Tom Kristensen, der hier seine internationale Rennfahrerkarriere beginnt. Auch Walter Treser lässt sich nicht nehmen, seine Pilotenträume im eigenen Auto zu verwirklichen. An diesem Tag waren viele Menschen glücklich.

T1 Coupe

Treser T1 Coupé: Gebaut ein Musterfahrzeug

Fgst.-Nr. WO9T13ZZZHBZ09001

T1 Cabrio

Treser T1 Cabrio: gebaut ein Musterfahrzeug

Fgst.-Nr. WO9T11ZZZHBZ09002

TR1

Treser TR1 roadster: Gebaut 21 Fahrzeuge für den Cup

Fgst.-Nrn. von WO9TR1ZZZJBT09005 bis 25

Dazu kommen noch drei Fahrzeuge ohne Fahrgestellnummern, die in der Treser Fabrik nur ‚halbfertig‘ aufgebaut und anschließend in Privathand komplettiert wurden, sowie der aller erste Prototyp mit markantem, einseitigem Überrollbügel.